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nä 04/2016
aktualisiert am: 15.04.2016

 

  Telemedizin

Bei Anruf Arzt – Möglichkeiten und Grenzen der Fernbehandlung

Die Bundesärztekammer hat durch ihre Arbeitsgruppe Telemedizin Hinweise und Erläuterungen zur Fernbehandlung erarbeitet, um mehr Rechtssicherheit für Ärzte beim Einsatz telemedizinischer Verfahren zu schaffen.


 


In Niedersachsen finden sich die berufsrechtlichen Anforderungen zur Fernbehandlung in § 7 Abs. 4 der Berufsordnung (BO) der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN). Danach darf der Arzt individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, weder ausschließlich brieflich noch in Zeitungen oder Zeitschriften noch ausschließlich über Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchführen.

Diese umgangssprachlich als "Fernbehandlungsverbot" bezeichnete Regelung rührt auf der Hippokrates´schen Idealvorstellung der Behandlung am Krankenbett. So soll sich der Arzt von dem jeweiligen Patienten ein unmittelbares Bild durch eigene Wahrnehmung verschaffen und sich nicht nur auf dessen Schilderungen oder Angaben Dritter verlassen. Das Erfordernis einer persönlichen, unmittelbaren Leistungserbringung soll dabei nicht nur der Qualitätssicherung dienen sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stärken. In Zeiten weitreichender Digitalisierung und Vernetzung wäre es gleichwohl fahrlässig, die damit für die Medizin einhergehenden Möglichkeiten in ein komplettes Verbot telemedizinischer Verfahren münden zu lassen. Dies berücksichtigt auch die Berufsordnung und untersagt lediglich die ausschließliche Fernbehandlung ohne physischen Arzt-Patientenkontakt.

Die in die ärztliche Versorgungsrealität längst eingezogenen telemedizinischen Möglichkeiten fallen hierunter regelmäßig nicht. So zeigt die Arbeitsgruppe (AG) Telemedizin in ihren Erläuterungen mit dem Telekonsil, der Telediagnostik im Rahmen von Teleradiologie und Telepathologie und dem Telemonitoring verschiedene Versorgungsmodelle auf, die regelmäßig keinen berufsrechtlichen Bedenken begegnen. Auch eine rein telemedizinische Verlaufs- oder Therapiekontrolle nach bereits erfolgtem Präsenzkontakt ist unbedenklich. Schon nicht unter den Tatbestand des § 7 Abs. 4 BO fallen auch allgemeine, nicht auf ein individuelles Beschwerdebild bezogene Ausführungen zu Krankheitsbildern.

Untersagt wird durch die berufsrechtliche Regelung lediglich die Behandlung von Patienten ohne physischen Erstkontakt; namentlich die Diagnosestellung und Therapie bei einem dem Arzt unbekannten Patienten. Dabei ist auf das jeweilige Krankheitsbild abzustellen. So macht beispielsweise eine vorige Behandlung eines Patienten wegen einer Grippeerkrankung diesen noch nicht zu einem "bekannten" Patienten, wenn er sodann die ärztliche Behandlung wegen eines auffälligen Hautbilds ersucht. Der Erstkontakt muss vielmehr symptombezogen erfolgt sein.

Die Erforderlichkeit eines bereits bestehenden, unmittelbaren Behandlungsverhältnisses wird auch durch das jüngst verabschiedete E-Health-Gesetz gestärkt. Soweit dort langfristig die Implementierung von Online-Videosprechstunden in die Versorgung gesetzlich Versicherter vorgesehen ist, sollen diese nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (Bundestag-Drs. 18/6905, S. 73) ausdrücklich nur bei Bestandspatienten eingesetzt werden können. Eine telemedizinische Betreuung soll nur bei einer bereits begonnenen Therapie eine wiederholte persönliche Wiedervorstellung in der Praxis ersetzen können. Für den ärztlichen Erstkontakt soll der Anwendungsbereich ausdrücklich nicht eröffnet werden.

Flankiert werden diese Anforderungen durch die für August 2016 geplante Änderung des Arzneimittelgesetzes, nach der fortan eine Abgabe von Arzneimitteln aufgrund ärztlicher Verschreibung - wenn es sich nicht um eine Wiederholung oder Fortsetzung der Behandlung eines bekannten Patienten handelt - nur nach direktem vorigen Arzt-Patientenkontakt erfolgen darf.

Der Gesetzgeber positioniert sich insoweit klar gegen die in jüngster Zeit wiederholt von einigen gesetzlichen Krankenkassen geäußerten Forderungen nach einer Liberalisierung der Fernbehandlung. Der Einführung von Modellen, wie sie beispielweise in der Schweiz praktiziert werden, und wonach Versicherte - außer in Notfällen - vor der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zunächst eine ärztliche Beratung über eine Hotline in Anspruch nehmen und dem dort verbindlich festgelegten Behandlungs- und Medikationsplan folgen müssen, sind demnach im Interesse von Ärzten und Patienten eindeutige Grenzen gesetzt.


Verfasser/in:
Ass. jur. Svenja Nolting
Juristischer Geschäftsbereich der ÄKN




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