Logo Hannoversche Ärzte-Verlags-Union
Karl-Wiechert-Allee 18-22
30625 Hannover
info@haeverlag.de
nä 09/2019
aktualisiert am: 16.09.2019

 

  Klinik und Praxis

Hund in fester Anstellung

Seit 2015 absolviert Nox seinen Dienst bei Dr. med. Antje Mey in der neuropädiatrischen Ambulanz des Klinikums Braunschweig / Der erste Klinikhund Deutschlands hilft beim Anfertigen von EEGs oder beim Blut abnehmen


 


Andere tragen einen weißen Kittel, wenn sie in der neuropädiatrischen Ambulanz während der EEG-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche im Klinikum Braunschweig ihren Dienst tun. Nox dagegen ziert eine Warnweste in Neonorange, die ihn nicht nur als Assistenzhund, sondern darüber hinaus als Klinikmitarbeiter ausweist. Außerdem gehört noch ein Halstuch mit der Aufschrift "Nox" zu seiner Arbeitskluft. Nicht aber an diesem heißen Tag im Juli, an dem die Temperaturen auf weit mehr als 20 Grad Celsius steigen. "Das ist zu heiß für den fast sechs Jahre alten schwarzhaarigen Border-Collie-Rüden", sagt Dr. med. Antje Mey. Die Oberärztin hatte die Idee, einen Therapiehund in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Braunschweiger Klinikums einzusetzen. 2015 trat der kastrierte Rüde seine Stelle als erster Klinikhund Deutschlands an. Für das Trainerteam vom WZ Hundezentrum im ostdeutschen Lalendorf war die Zusammenarbeit eine Premiere. Deshalb erhielt das Braunschweiger Krankenhaus Nox für weniger Geld als den sonst üblichen Betrag von 26.000 Euro - den Großteil davon brachte der Förderverein des Klinikums auf.

Warnhunde, die Epileptiker rechtzeitig auf den nächsten Anfall aufmerksam machen, hatten die Neuropädiaterin und Neonatologin inspiriert, die seit Juli dieses Jahres auch das Sozialpädiatrische Zentrum des Klinikums Braunschweig leitet. Mey erhoffte sich von ihrem vierbeinigen Kollegen, der nach getaner Arbeit bei der Familie der Ärztin lebt und sich auf langen Spaziergängen mit ihrem Sohn und dem Erlernen von Tricks entspannt, genau die Unterstützung, die der Border Collie jetzt leistet: "Nox sorgt für bessere Ergebnisse beim EEG mit weniger Artefakten, weil die Kinder sich entspannen, wenn er sich auf dem Bett an sie kuschelt", hat Mey beobachtet. An diesem Tag ist es ein 17-jähriger Teenager, dessen Gehirnströme kontrolliert werden. Zwanzig Minuten muss er ruhig auf dem Bett liegen und soll währenddessen möglichst nicht die Stirn runzeln. Der Hund liegt die ganze Zeit beinahe regungslos neben dem Jungen, den Kopf auf dem Bauch des Patienten.

Auf das Signal von Schwester Sabine Raab steigt Nox geschwind die wenigen, eigens für ihn installierten Treppenstufen zum Patientenbett hinauf und lagert sich neben den Jungen auf das dort für den Hund ausgebreitete Vlies. "Wenn ich das Tuch hinlege, weiß Nox schon Bescheid", sagt die Mitarbeiterin der EEG-Sprechstunde. Sie und ihre Kolleginnen wurden genau wie Mey für die Arbeit mit Nox von Tiertrainer Ulrich Zander vom WZ-Hundezentrum einzeln geschult. "Wir haben fast alle selbst Hunde", ergänzt Schwester Astrid Rabe. "Die größte Hürde war es, sich bei den Kommandos umzugewöhnen."

Schulung des Hundeazubis in einer Physiotherapiepraxis und im Seniorenheim


Um das gute Zusammenspiel in der Ambulanz des Krankenhauses zu gewährleisten, sei für diesen Einsatz als Assistenzhund ein sich unterordnender, besonders ausgeglichener Charakter gewählt worden, berichtet Tiertrainer Zander: "Bei Nox ist der Wille zu gefallen sehr ausgeprägt." Seine besondere Begabung zeigte der Border Collie bereits als siebenmonatiger Welpe. Daher wurde der Hundeazubi unter anderem in einer Physiotherapiepraxis und einem Seniorenwohnheim auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet. Dort lernte er etwa, ruhig neben einem Bettlägerigen im Bett liegen zu bleiben, selbst wenn die Bewohner sich bewegten oder unruhig waren. Seither ist Nox nicht nur für seinen Trainer oder das Team im Klinikum Braunschweig ein außergewöhnlicher Hund. Selbst heute noch freuen sich die Senioren, wenn der Therapiehund einmal im Jahr zur Auffrischung seiner Kenntnisse nach Lalendorf zurückkehrt und auch dem Heim einen Besuch abstattet.

Kein Kindergeschrei kann Nox aus der Ruhe bringen, er bleibt auf Kommando ruhig liegen, bis das EEG geschrieben oder das Blut abgenommen ist. Auch den 17-Jährigen unterstützt Nox an diesem Sommertag, als ihm außerdem Blut abgenommen wird. Der Teenager darf während der Prozedur seinen Arm auf Nox legen, wobei der Hund von einem Tuch bedeckt auf dem Schoß des Jungen liegt. Sogar seltene Grobheiten von jungen Patienten wie die unkontrollierten Tritte eines Babys lässt der Hund klaglos über sich ergehen. Kein Wunder, dass für die Ausbildung rund 400 Stunden intensiven Trainings vonnöten waren. Trotzdem stand zunächst nicht fest, welcher Hund am Ende nach Braunschweig ziehen würde. "Ich wollte eigentlich eher die rotbraune Aus­tralian-Shepherd-Hündin", erzählt Mey. "Aber der schwarze Border-Collie-Rüde stellte sich als der passendere Hund für die Arbeit in der Ambulanz heraus."

Inzwischen würde Mey nicht mehr tauschen: "Er ist einfach toll!" Der einzige Klinikhund Deutschlands ist vielfältig einsetzbar: "Er unterstützt zum Beispiel unsere Kinder- und Jugendpsychologin, wenn sie mit Patienten spricht, bei denen eine Essstörung oder Missbrauchserfahrungen vorliegen", berichtet die Ärztin. Auch sie selbst hat bei Gesprächen mit den Eltern von Patienten die Erfahrung gemacht, welch große Stütze Nox ist: "Ich überbringe als Neurologin leider nicht nur gute Nachrichten", sagt Mey, "und in solchen Situationen zeigt sich immer wieder, was für ein wertvoller Tröster Nox ist." Einmal habe der Hund eine Patientin sogar aus einem psychogenen Anfall herausgeholt, bei dem das Mädchen nicht mehr ansprechbar gewesen sei. Die Ärztin habe den Hund auf den Bauch der Patientin gelegt und ihr gesagt, sie müsse das Tier festhalten, es falle sonst herunter. "Dadurch konnte sie den Anfall ohne Medikamente überwinden", sagt Mey.

"Ein Assistenzhund kann Behandlungen aktiv unterstützen und verbessern"


Die Kräfte des Border Collies sind allerdings nicht grenzenlos. Nach drei Einsätzen am Vormittag benötigt der kniehohe Hund erst einmal eine Pause in seinem Körbchen in Meys Büro und in der Mittagspause ein wenig Auslauf im angrenzenden Park. Nach einem weiteren Einsatz am Nachmittag heißt es dann meist "Feierabend" für den vierbeinigen zertifizierten Klinikmitarbeiter. Zwar wirkt Nox nach außen sehr gelassen und robust, aber der Job strengt den diensteifrigen Hund durchaus an.

Dennoch bedauert es Tiertrainer Zander, dass Nox bislang der einzige Klinikhund geblieben ist. Vor allem in den Hygienevorschriften der Krankenhäuser werde eine Hürde gesehen. Aber in einigen Bereichen könne ein Assistenzhund wie Nox Behandlungen aktiv unterstützen, positiv beeinflussen und verbessern, so Zander. Auch in Braunschweig wurde die Satzung der Klinik geändert, damit Nox dort starten konnte. Hier fragen die jungen Patienten und deren Eltern inzwischen längst gezielt nach einem Termin bei "Dr. Nox", erzählen die Kollegen des Klinikhunds aus der neuropädiatrischen Ambulanz stolz.

Verfasser/in:
Inge Wünnenberg
Redakteurin niedersächsisches ärzteblatt




inhalt 09/ 19
service
anzeigenaufgabe
leserbrief
umfragen
archiv
 

Alle Inhalte © Hannoversche Ärzte-Verlags-Union 1998-2019. Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am: 16.09.2019.
Design by webmaster[at]haeverlag[punkt]de, Support. | Impressum & Datenschutzerklärung